Bewegung muss nicht immer in Form von Training stattfinden, wir müssen uns nicht einmal gesondert dafür Zeit nehmen. Stattdessen können wir Bewegung auch in unseren Alltag integrieren und ihn dadurch bereichern. Dadurch kommen wir ganz nebenbei zu mehr Wohlbefinden und prägen uns gesunde Verhaltensmuster ein. Bewegung im Alltag ist also nicht nur „verstecktes Training“, sondern eine ganzheitliche Bereicherung für dein Leben. Im Folgenden möchte ich dir ein paar natürliche Bewegungsformen zum Ausprobieren zeigen. Überlege doch mal, ob sie vielleicht in deinen Alltag passen und probiere sie aus! Viel Spaß dabei.
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Barfuß sein – Mal was mit den Füßen machen
Eine der natürlichsten Bewegungsformen überhaupt ist für uns Menschen die Fortbewegung. Und das tun wir typischerweise mit unseren Füßen. Die Füße sind ein anatomisches Wunderwerk. Sie tragen uns den ganzen Tag zuverlässig von A nach B, tragen unser gesamtes Gewicht und stellen sich zwischen Schwerkraft und den Boden. Wie traurig, dass wir sie viel zu häufig in engen Schuhen und Socken verstecken. Die Folgen sind bei vielen Menschen schwache Füße und Sprunggelenke oder sogar Fehlstellungen. Um dem entgegen zu wirken brauchst du nur die Schuhe und Socken ausziehen und dich mehr auf deinen Füßen bewegen.
Ein weiterer Vorteil: Unter unseren Füßen befinden sich viele Nervenenden. Deswegen spüren wir auch jedes kleine Steinchen im Schuh und es kribbelt so schön, wenn wir durch den Sand laufen. Jede dieser Empfindungen ist ein sanftes Signal, das dein Gehirn verarbeitet. Wenn du dich also barfuß bewegst, stimulierst du über die Sensorik gleichzeitig dein Gehirn.
Versuche doch auch mal etwas anderes als Gehen bzw. laufen mit deinen Füßen zu machen. Du kannst balancieren und springen, aber auch mal versuchen die Füße spielerisch zu nutzen. Vielleicht können sie ein hilfreiches Werkzeug werden, etwas vom Boden aufheben (wenn du deine Zehen ausreichend beugen kannst) oder eine Tür hinter dir schließen, wenn du die Hände voll hast. Du wirst dich dadurch kompetenter und freier in deinen Bewegungen fühlen!
Das kannst du ausprobieren:
- Wann immer möglich ohne Schuhe und Socken herumlaufen
- Dich viel auf natürlichen Untergründen bewegen
- Fuß-Gymnastik betreiben oder balancieren
- Die Füße berühren, massieren, klopfen, kneten, kratzen, schrubben…
- Zehen-Trenner tragen
Aus der Mitte heraus – Die Wirbelsäule bewegen
Das Zentrum unseres Körpers stellt die Wirbelsäule dar. Eine Aneinanderreihung von über 30 Wirbeln und genauso vielen Gelenken, die sich über alle Bereiche des Körpers erstreckt und gleichzeitig noch unsere neuronale Schaltzentrale, das Rückenmark in sich trägt. Durch ihre Anatomie ist sie für vielseitige Bewegung in allen Ebenen gemacht- Beugen und Strecken, nach vorne, hinten und zur Seite; Rotieren; Ein und Aufrollen und Stabilisieren gegen Widerstände.
Gleichzeitig hat die Wirbelsäule auch einen Bezug zu unseren Emotionen und unserem Befinden. Weil sie wertvolle Nervenbahnen beinhaltet, schützt sie diese in Gefahrensituationen. Kein Wunder, dass der Nacken verspannt ist, wenn du den ganzen Tag schwere (physische oder mentale) Lasten mit dir trägst. Dass der Rücken wenig Bewegung zulässt, wenn dir viele Bewegungen unbekannt sind und potentiell eine Bedrohung darstellen. Oder dass unterer Rücken und Hüfte verhärtet sind, wenn du ständig das Gefühl hast, dich vor irgendetwas schützen zu müssen. Indem du an diesem Punkt in der Wechselwirkung eingreifst, kannst du durch körperliche Interventionen auch Einfluss auf deine Psyche nehmen. Wenn du es schaffst, deiner Wirbelsäule Sicherheit zu vermitteln, können auch deine anderen Beschwerden nachlassen.
Kleiner Exkurs: Diese Art von Sicherheit kannst du auf unterschiedliche Art und Weise erlangen. Es gibt auch zahlreiche Methoden aus Körpertherapie, Somatic und ähnlichem, die dabei helfen können. Falls du das Gefühl hast, dass hier für dich ernsthafte Themen sind, suche dir kompetente Hilfe in Form eines Therapeuten oder Bodyworkers.
Das kannst du probieren:
- Bewusstes ausrollen der Wirbelsäule in alle Richtungen (z.B. mit meiner Bewegungsroutine)
- Kontrolliertes Bewegung der Wirbelsäule unter Last, Heben und Tragen, auch nahe der Endradien der Bewegung
- Unterschiedliche Bewegungsqualitäten ausprobieren: Strecken, schütteln, schwingen, festigen
- Dich im Alltag mehr „umschauen“: Dinge in allen Ebenen (Boden, Himmel…) wahrnehmen
Zeit am Boden – Sitzen, Hocken, liegen
Wir leben in einer Zeit in der sich viel Gedanken um die „richtige“ Haltung gemacht wird. Auch beim Sitzen. Kein Wunder, wir verbringen sehr viel in dieser Position. Allerdings waren unsere Sitzgelegenheiten nicht immer rechtwinklig und durchdacht. Der Mensch hat Zeit in der Natur verbracht und sich immer neuen Umständen in seiner Umgebung angepasst Die Idee einer „perfekten Sitzposition“ ist sowieso Quatsch. Der menschliche Körper ist für Abwechslung gemacht und auch dafür, sich wechselnden Belastungen immer wieder anzupassen. Die Richtige Idee wäre also, die Position immer wieder zu wechseln und auch mal andere Ebenen zu nutzen um die Beweglichkeit des Köpers anders anzusprechen. Stehschreibtische gibt es schon, aber eine noch günstigere Möglichkeit, deinem Körper etwas Gutes zu tun, ist Zeit am Boden zu verbringen.
Auf diese Weise erschließt du dir auch ein komplett neues Handlungsfeld: Wer gemütlich Zeit am Boden verbringen kann, der braucht keine Sofas und Liegestühle, sondern es reicht eine Matte oder Decke – egal ob im Sommer auf der Wiese, auf Festivitäten oder im Garten, du kannst es dir überall gemütlich machen.
Das kannst du ausprobieren:
- Dir eine Matte ausrollen und darauf Zeit verbringen – Beim arbeiten, essen, Abhängen mit Freunden…
- Dazu eventuell ablagen auf unterschiedlichen Höhen bereit stellen – Tische, Boxen etc.
- Übungen am Boden erproben, dich bewegen ohne zwischendurch aufzustehen
- Am Boden Zeit mit anderen verbringen
Interagiere mit deinem Körper
Für viele Menschen ist der Körper ein unbewusster Teil und wird wie ein Werkzeug genutzt. Ich hörte mal den Spruch „ein Taxi für das Gehirn“. Oft bemerken wir erst wirklich, dass der Körper da ist, wenn er sich mit Einschränkungen, Verletzungen oder Verspannungen meldet. Dann geht das Denken oft in Richtung „Reparieren“, wieder richten, Funktion wiederherstellen. Aber die körperliche Gesundheit ist nicht selbstverständlich. Unsere Körper machen im Alltag viel mit und halten dabei unglaublich lange extremen Widerständen stand. Ein Grund mehr, etwas zurückzugeben.
Dafür folgende Idee: Du kannst deinen Körper also nicht nur „für etwas nutzen“, sondern deine Handlung auch auf ihn ausrichten. Um einen Effekt zu erzielen, mit ihm in Kontakt zu kommen. Mit diesem lebendigen Teil von dir, der immer da ist und auf gewisse Weise mehr über dich weiß, als dir bewusst ist. Indem du mit deinem Körper in Kontakt trittst, tust du also zwei Dinge: Du lernst etwas über dich selbst und du versorgst dich auf mehreren Ebenen.
Für diese Interaktion benutzen wir typischerweise die Hände: Wir können des Körper ertasten und manipulieren (das kommt sogar von dem Wort manus „Hand“). Wir stellen fest, ob ein Bereich verspannt oder locker ist, vielleicht gereizt, gestresst, angestrengt. Wir bemerken unseren Aufbau und Struktur. Wie spannend, wo überall Knochen, Bänder, Sehnen verlaufen. Wie gut kennst du deinen Körper? Über Druck und Reibung erzielen wir auch eine Gegenreaktion insbesondere in der Muskulatur: Drücken kann an den richtigen Stellen entspannen, einen Reiz zu setzen kann zu Heilung führen oder die Wahrnehmung verschieben.
Für diese körperliche Interaktion kannst du dir entweder bewusst Zeit nehmen oder sie in den Alltag einfließen lassen.
Das kannst du probieren:
- Selbstmassage in Form von Klopfen, Drücken, Streichen, Kratzen, Kraulen… – was immer dir gefällt
- Nutze dafür auch Tools, z.B. Bälle, Stäbe, Kissen
- Spüre währenddessen und danach in dich hinein. Wenn du willst, „sprich“ dabei auch mit dem Körper – Ist das gut so? Wo noch?
- Gib deinem Körper im Alltag auch mal „Mini-Massagen“
Bereichere deinen Alltag mit Bewegung!
Sich natürlich zu bewegen bedeutet, Körperlichkeit nicht nur als Selbstzweck, getrennt vom Rest des Lebens durchzuführen, sondern Bewegung sinnvoll und erfüllend in dein Leben zu integrieren. Bewegungsformen wie diese können dabei helfen unseren Alltag zu bereichern, ohne dass sie übermäßigen Aufwand oder Energie kosten. Richtig angewandt erleichtern sie dir vielleicht sogar etwas, geben dir Energie und werden schnell zu einem selbstverständlichen Teil deines Lebens.
Noch mehr Bewegungsformen um deinen Alltag zu bereichern findest du im zweiten Teil des Beitrags.
Ich hoffe für dich war die eine oder andere Idee dabei!
Dein Norwin